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Aschenbecher an Haltestellen – Warum sieht die SSB keinen Handlungsbedarf?

Habt ihr auch die gelben Aschenbecher an den Stuttgarter Haltestellen gesehen? Sie wurden von engagierten Bürgern aufgestellt und sollten einen guten Zweck erfüllen: die Eindämmung der Vermüllung unserer Stadt und das Initiieren eines Dialogs innerhalb der Gesellschaft. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) sieht jedoch keinen Handlungsbedarf.

Wichtiges Update 31.08.2021

Bisher kommunizierten wir: “1 Kippe verunreinigt bis zu 40 Liter Grundwasser”. Die Quelle dazu ist allerdings verschwunden.

Ab sofort zitieren wir: Wie beziehen uns ab sofort auf die Studie Amy L. Roder Green Anke Putschew Thomas Nehls. Diese schreibt:

“Diesen Ergebnissen zufolge kann ein Zigarettenstummel (Anm. d. Red.: gemeint ist ein gerauchter Zigarettenstummel) eine Menge von 1000 l Wasser mit Konzentrationen verunreinigen, die über der vorhergesagten unwirksamen Konzentration (PNEC) von nur 2,4 × 10-3 mg L-1 liegen (Valcárcel et al., 2011). In Anbetracht der kontinuierlichen Vermüllung mit Zigarettenkippen und der schnellen Freisetzung von Nikotin werden Zigarettenkippen als relevante Bedrohung für die Qualität städtischer Gewässer und folglich für das Trinkwasser eingestuft.” (Anm. d. Red.: Von uns vom Englischen ins Deutsche übersetzt.)

Selbstgebastelte Aschenbecher an Haltestellen sollen auf Probleme aufmerksam machen

Nun kam vor kurzer Zeit jemand auf die Idee – nein, ich war das nicht – selbstgemachte Aschenbecher aus alten Konservendosen schön verziert an Haltestellen anzubringen. Sogar an die richtige Farbe und an den Geburtstag der SSB wurde gedacht ;). Sicher, das ist nicht erlaubt, schließlich ist das Eigentum der SSB. Manchmal muss man aber provozieren, um die Gesprächspartner an den Tisch zu bekommen und sie ihrer Verantwortung bewusst zu machen. Zudem wurde keine Sache beschädigt und es trägt eher dazu bei, dass die Haltestellen sauberer sind und weniger Gifte in die Umwelt gelangen. Ich habe die Aschenbecher eine Weile beobachtet und was soll ich sagen? Sie werden genutzt – wenn welche vorhanden sind.

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82% der Bürger fühlen sich von achtlos weggeworfenen Zigarettenkippen gestört

SSB möchte Aschenbecher wieder entfernen

Dann erschien ein Artikel über jene Aschenbecher an den Haltestellen in der Stuttgarter Zeitung. Bei allen Cleanup-Network-Mitgliedern keimte so etwas wie Hoffnung auf. Nämlich die Hoffnung, dass man die Mülleimer wieder so gestaltet, wie sie schon einmal waren: mit integriertem Aschenbecher. Eine eigentlich einfache und pragmatische Lösung mit einem großen Hebel. Mit der Tatsache konfrontiert meldete sich der Pressesprecher der SSB zu Wort:

Der Bereich um die Haltestellen gehört dem Unternehmen, da kann nicht ohne Genehmigung einfach irgendetwas aufgestellt werden.

Man hätte natürlich auch sagen können, dass man die Absicht dahinter an sich gut findet, man Veränderungen aber lieber selbst vornehmen möchte. Auch hätte man sich inhaltlich damit auseinandersetzen können, was Zigarettenstummel für die Umwelt bedeuten. Wenn man ganz optimistisch ist, hätte man sich auch wünschen können, dass die SSB sich nun aktiv mit dem Thema Aschenbecher an Haltestellen auseinandersetzt.

Haltestellen werden gekehrt – aber das löst nicht das Problem

Der Aufwand Mülleimer mit Aschenbecher zu leeren sollte nicht steigen, denn die Mülleimer werden sowieso geleert. Die Haltestellen werden sogar regelmäßig gekehrt.

Stadtreinigung Stuttgart

Das eigentliche Problem – das Eindringen der Gifte in die Umwelt – beseitigt das Fegen jedoch nicht. Denn die Gifte werden einfach mit dem nächsten Regen in die Erde gespült. Übrig bleiben die Plastikfilter, die dann – wenn überhaupt – aufgekehrt werden.

 

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Zigarrettennstummel sind ein globales Problem

  • 5,5 Billionen Zigaretten werden jährlich weltweit konsumiert. Davon sind 4,95 Billionen Filterzigaretten, die weltweit irgendwo in der Umwelt landen. (Quelle: tobaccocontrol.bmj.com)
  • Durchschnittlicher Verbrauch von (versteuerten) Zigaretten pro Tag in Deutschland liegt bei 207 Millionen Stück (Quelle: Statista – Stand 2017).
  • In aufgebrauchten Zigaretten befinden sich verschiedene Gifte wie Nikotin, Arsen, Cadmium und andere Schwermetalle.
  • Der Regen spült die Zigarettenstummel oder auch nur die Gifte in die Flüsse, wodurch sie ins Meer gelangen.
  • Die Fische nehmen die Gifte auf und landen bei uns wieder auf dem Tisch.
  • Ein Zigarettenstummel kontaminiert 1.000 Liter Wasser.
  • Ein Zigarettenstummel kann viele Fische töten. (Quelle: tobaccocontrol.bmj.com)
  • Die Filter bestehen aus Plastik, sind nicht biologisch abbaubar – wie oft angenommen -  und sollen aussehen wie Kork. (Quelle: vapingdaily.com)
  • Ein verschluckter Zigarettenstummel kann tödlich für ein Kleinkind sein.
  • Die Filter wurden von der Tabakindustrie so konzipiert, dass sie im Wasser nicht an der Oberfläche schwimmen. Sonst sähen unsere Flüsse etwas anders aus.
  • Laut einer Untersuchung der TU Berlin aus dem Jahr 2014 liegen in Berlin auf einem Quadratkilometer Freifläche durchschnittlich 2,7 Millionen Kippen.
  • Jedes 3. Stück Müll in den Ozeanen ist ein Kippenfilter. (Quelle: tobaccocontrol.bmj.com)

Mehr Fakten und die Auswirkungen von Zigaretten auf uns Menschen und die Landwirtschaft, das Gesundheitssystem, die Kosten zur Entsorgung, etc. findet ihr in diesem Paper der World Health Organization (PDF in Englisch).

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Da liegt es nahe, den Rauchern Möglichkeiten zur sauberen Entsorgung anzubieten.

Kontakt mit SSB

Ich habe Kontakt mit dem Pressesprecher der SSB aufgenommen und eine Reihe an Fragen gestellt. Ich wollte herausfinden, ob es möglich ist in einen Dialog mit der SSB zu treten. Aber vor allem, ob überhaupt ankam, was der Aktivist oder die Aktivistin vermitteln wollte. Hier ist die E-Mail, die ich an den Pressesprecher gesendet habe:

Sehr geehrter Herr Knupfer,

mein Name ist Thomas Venugopal und ich engagiere mich zusammen mit über 130 anderen Stuttgartern für eine saubere Stadt. Mit regelmäßigen Putzevents sensibilisieren wir unsere Umgebung. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: https://cleanupnetwork.com

Aschenbecher an Haltestellen
Vor kurzer Zeit sind uns die Aschenbecher an Bus-Haltestellen aufgefallen. Wir sind nicht Urheber dieser Aktion, finden diese aber grundsätzlich gut, da sie einen Dialog in der Gesellschaft eröffnet. Zigarettenstummel sind – auch wenn sie unscheinbar aussehen – eine große Belastung für die Umwelt (https://www.berliner-zeitung.de/berlin/umweltgift-so-gelangt-nikotin-aus-zigarettenstummeln-in-die-gewaesser-30559116) und der mit Abstand am meisten nicht ordnungsgemäß entsorgte Müll der Welt (https://www.nbcnews.com/news/us-news/plastic-straw-ban-cigarette-butts-are-single-greatest-source-ocean-n903661). Man möchte hier also richtigerweise auf eine sehr ernste Angelegenheit hinweisen.

Das ist das Problem mit den Zigarettenstummeln
In aufgebrauchten Zigaretten sammeln sich verschiedene Gifte, wie Nikotin, Arsen, Cadmium und andere Schwermetalle. Der Regen spült die Zigarettenstummel in die Flüsse, wodurch sie ins Meer gelangen. Die Fische nehmen die Gifte auf und landen bei uns wieder auf dem Tisch. Ein Zigarettenstummel kontaminiert 1.000 Liter Wasser. Die Filter bestehen aus Plastik und brauchen mindestens 10 Jahre zum Verrotten. Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen nicht vorhandenen Entsorgungsmöglichkeiten einer Zigarette und der Vermüllung unserer Meere.

Ihre Stellungnahme in der Stuttgarter Zeitung
Nach dem Lesen des entsprechenden Artikels in der Stuttgarter Zeitung (https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ssb-in-stuttgart-was-hat-es-mit-den-alternativen-aschenbechern-auf-sich.67aeaec9-9069-4ec5-99d0-79326ab54757.html), hatten wir Hoffnung, dass die SSB die Realität anerkennt: Menschen rauchen an Bus-Haltestellen. Die Frage ist nur: sollen die Kippen in der Umwelt landen oder in Aschenbechern. Bedauerlicherweise beinhaltete Ihr Statement lediglich, dass Sie diese Aschenbecher wieder entfernen möchten.

Unsere Fragen an Sie

    • Warum möchte die SSB den Menschen, die ihren Müll ordnungsgemäß und sicher entsorgen möchten, keine Möglichkeit dazu anbieten?
    • Was spricht aus Sicht der SSB gegen Mülleimer mit integriertem Aschenbecher, wie überall in der Stadt auch?
    • Welche Maßnahmen trifft die SSB, damit die Gifte (Cadmium, Arsen, Nikotin etc.) an ihren Haltestellen nicht in die Umwelt gelangen?
    • In Karlsruhe hat man das Problem erfolgreich gelöst. Es gibt ein Nichtrauchergebot mit der Möglichkeit, die Kippe zu entsorgen. Können Sie sich das auch für Stuttgart vorstellen?

Ich danke im Voraus für eine Stellungnahme. Wir veröffentlichen in Kürze einen Artikel dazu und würden gerne Ihre Antworten dazu mit aufgreifen.

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Venugopal

Thomas Venugopal – Anfrage an die Pressestelle der Stuttgarter Straßenbahnen am 29.08.2018

Die Antwort der SSB

Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels haben wir trotz mehrfacher Anfragen keine Antwort erhalten.

Karlsruhe als Vorbild

Andere Städte zeigen, wie es funktionieren kann. In Karlsruhe gibt es an Haltestellen unter freiem Himmel ein Nichtrauchergebot mit der Bitte um Rücksichtnahme gegenüber Kindern und anderen Mitmenschen. Allerdings werden hier trotzdem Aschenbecher angeboten. Warum sollte man die Raucher beim Ankommen an der Haltestelle auch dazu zwingen, die Kippe auf den Boden zu schmeißen? Man könnte argumentieren, dass die Aschenbecher die Raucher dazu animieren könnten an Haltestellen zu rauchen. Die Realität ist jedoch: Raucher rauchen unter freiem Himmel – so oder so. Die Entfernung von Aschenbechern hält Raucher nicht davon ab zu rauchen. Deswegen sollte man der Realität mit einer Lösung begegnen und nicht mit Verboten.

Du bist Raucher und willst etwas ändern?

Nicht immer ist man in der Nähe eines Aschenbechers. Aber es gibt eine Lösung: Taschenaschenbecher. Die Initiative wenigermuell.de von Simone Rehm bot auf dem Übermorgen-Markt in Stuttgart ebenfalls Taschenaschenbecher an. Mittlerweile gibt es  eine große Auswahl an Taschenaschern. Es ist eine kleine Investition mit großer Auswirkung. Wie viel das bringt?

Beispielrechnung: Suchen wir uns nur die größte Gruppe innerhalb der Raucher raus. Also die 44% aller deutschen Raucher, die 11-20 Zigaretten pro Tag konsumieren (Quelle: Statista). Nehmen wir den Mittelwert von 15 Zigaretten pro Tag. Das sind 450 Zigaretten im Monat, 5.400 im Jahr. Von nur einer Person. Wenn du dich dazu entscheidest, deine Kippen nicht mehr einfach auf den Boden zu schmeißen, trägst du also einen großen Teil dazu bei, die Umwelt zu schützen. Hier kann ein Taschenascher für wenige Euro also tatsächlich eine große Wirkung entfalten. Ob du das machst, liegt natürlich bei dir alleine.

Aschenbecher haben einen großen Effekt

Diese kleine Beispielrechnung zeigt, um was für Zahlen es hier geht. Jeder Aschenbecher hilft und hat eine große Wirkung. Es könnten Millionen von Zigarettenstummeln sauber entsorgt werden. Die Lösung ist einfach und pragmatisch mit großem Effekt. Es geht hierbei um nicht mehr als ein städtisches Schadstoffproblem, das man bisher nicht auf dem Schirm hatte.

Quellen und weiterführende Links zum Thema Zigaretten und deren Auswirkung auf die Umwelt

Was meinst du? Sollte die SSB Aschenbecher anbieten oder nicht?

Lass uns in den Kommentaren wissen, wie du das siehst. Wir werden versuchen den Dialog mit der SSB aufrecht zu erhalten und arbeiten weiter daran, die Stadt sauber zu machen.

Stuttgart, SSB, Zigaretten, Stadt


Thomas Venugopal

Auf Cleanup Network setze ich meine berufliche Erfahrung im Online-Geschäft ehrenamtlich und gemeinnützig ein, um meine Mitmenschen für das Thema Vermüllung zu sensibilisieren und mobilisieren. Der Netzwerkgedanke ist der Kern dieser Plattform. Daher freue ich mich über jede Form der Kontaktaufnahme.

Kommentare (4)

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