Humanitäre Hilfe auf Samos mit Precious Plastic – so wird Plastik zur Lösung
Bei jedem unserer Cleanups finden wir Massen an Plastik. Man könnte das unzerstörbare Material beinahe verteufeln, dabei ist der Rohstoff eigentlich sehr wertvoll. Das Open-Source-Projekt Precious Plastic hat einen Lösungsvorschlag, der es jedem möglich macht, das Material wiederzuverwenden. Ein Projekt auf der griechischen Insel Samos soll jetzt sogar Geflüchteten dabei helfen, von den Unmengen an Plastikmüll zu profitieren. Wer selbst mithelfen will, darf unser Cleanup mit Precious Plastic am 1. Februar in Berlin nicht verpassen!
Precious Plastic auf Samos: Wie wird Plastik zur Lösung, statt zum Problem?
Bei unseren Clean-ups sammeln wir Müll, der auf der Straße oder im Gebüsch liegen geblieben ist. Müll, der weggeworfen wurde, obwohl die Rohstoffe doch eigentlich so wertvoll wären. Wir haben hier bereits häufig darüber geschrieben, dass aus Zigarettenstummeln Taschenaschenbecher hergestellt werden können. Kronkorken dagegen verkaufen wir und spenden das Geld für lebensnotwendige Polioimpfungen. Doch wohin mit all dem Plastik?
Wie wird Plastik zur Lösung?
Das Netzwerk Precious Plastic arbeitet seit bereits sechs Jahren an einer langfristigen Lösung für die Massen an Plastik, die sich auf der Straße, im Gebüsch, am Strand und schließlich in den Weltmeeren sammeln. Der Gedanke: Plastik ist unheimlich langlebig – und das ist Fluch und Segen zugleich. Denn Plastik in der Natur zersetzt sich nicht und schadet unserem Ökosystem massiv. Auf der anderen Seite, ist das Material so robust, dass es immer und immer wieder verwendet werden – also ist eigentlich echt wertvoll. Nur weiß leider keiner, was er mit altem Plastik anfangen soll.
Und genau da will Precious Plastic ansetzen: Das Team um Niederländer Dave Hakkens hat mittlerweile vier Maschinen entwickelt, die man ganz einfach selbst bauen kann. Als Open-Source-Programm stellt Precious Plastic die Bauanleitung ganz einfach ins Netz und gibt jedem, der daraus ein kleines Unternehmen machen will sogar noch Tipps zur Gründung mit auf den Weg. Das Konzept ist leicht: Anleitung herunterladen, Maschine selbst bauen, Plastik-Annahmestelle gründen und altes Plastik zu neuen Produkten machen. Die Precious Plastic Community hat schon Möbel, Schmuck, Karabiner-Haken und sogar ganze Wände aus Plastik-Bausteinen hergestellt. Und das Coolste: Weil das Material so robust und vielfältig ist, sind die Gadgets langlebig und sehen dabei richtig cool aus.
Warum erzählen wir euch von Precious Plastic?
Warum wir euch das erzählen? Weil’s eine ganzheitliche Lösung für das Plastikproblem ist, das wir haben. Und, weil die Community jetzt sogar den Nachhaltigkeitsgedanken mit humanitärer Hilfe verbindet. Seit dem 25. Januar sind nämlich zwei Helfer von Precious Plastic unterwegs von Eindhoven nach Samos, Griechenland. Dort soll ein Recycling Workspace eingerichtet werden, der nicht nur das immense Müllproblem vor Ort behandeln soll, sondern auch Geflüchteten, die derzeit in Samos sind, eine Beschäftigung und gleichzeitig wertvolle Tools geben soll. Auf dem Weg werden auch Stopps in Deutschland eingelegt – aber dazu später mehr.
Geflüchtete und massenhaft Müll auf einer Insel: Wie ist die Lage auf Samos?
Laura Laipple ist mit einem Team von Precious Plastic seit einigen Monaten vor Ort und erlebt, wie die Flüchtlingskrise die Insel verändert hat. „Die Bevölkerung ist aufs doppelte gewachsen“, sagte sie mir am Telefon. Medien berichten, dass das Camp für 650 Menschen konzipiert war – inzwischen sollen es mehr als 7000 Geflüchtete sein, die im Sammellager leben und auf ein Gespräch in Athen warten, bei dem sie Gründe für ihren Asylantrag anbringen dürfen. „Ich habe gesehen, wie die Boote hier ankommen. Samos ist der erste Eindruck, den die Menschen von Europa bekommen. Das hat mich echt mitgenommen.“
Doch nicht nur im Sammellager, auch auf der Insel sieht man die Folgen der Überbevölkerung. Denn doppelt so viele Menschen machen doppelt so viel Müll. Eine harte Herausforderung für ein Land, dessen Recycling-System ohnehin schon überlastet ist. „Jeder im Lager bekommt pro Tag eine 1,5-Liter-Plastikflasche voll Wasser. Das sind über 2,7 Millionen Plastikflaschen, die pro Jahr in Umlauf gebracht werden“, weiß Precious Plastic. Und dabei handelt es sich nur um einen Tropfen auf dem heißen Stein: Denn so viel mehr Plastikmüll sammelt sich auf der Insel an.
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Precious Plastic Samos auf Instagram
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Wohin führt es, wenn das Müllsystem versagt?
Ein kleiner Exkurs ins Müllsystem von Samos: Auf der Insel wird zwischen verwertbaren Reststoffen und nicht-verwertbarem Müll unterschieden. Alles, was nicht recyclebar ist, landet auf einer Deponie in Samos. Alles, was wiederverwertbar wäre, wird auf einem Frachter aufs Festland geschippert, dort geprüft – um dann unter Umständen wieder zurück nach Samos geschifft zu werden, weil der Müll nicht richtig getrennt wurde. Letztlich sammelt sich der Müll auf Samos an. Die Menschen wohnen teilweise zwischen richtigen Müllbergen und selbstverständlich landet früher oder später viel an den Stränden – und dann logischerweise im Meer.
So wird Plastikmüll zur Lösung auf Samos!
Precious Plastic veranstaltet jede Woche Cleanups. Hier kommen Helfer, Geflüchtete und Einheimische zusammen, um die Strände zu säubern. Doch die Cleanups genügen nicht: Das Material muss weiter verarbeitet werden, deshalb soll der Workspace her. Dort können die Geflüchteten dann selbst kreativ werden und sich Dinge bauen. „Schon ein selbstgemachtes Seil aus PET-Plastik kann helfen, wenn das eigene Zelt im Wind wackelt“, sagt Laura. Gemeinsam mit den Helfern will die Produktdesignerin Wissen und Skills im Umgang mit Plastik vermitteln und sie will Mut machen: „Alles im Leben eines Geflüchteten hängt von einer Entscheidung von höheren Instanzen ab, das kann deprimierend sein. Wenn du dagegen selbst etwas herstellen kannst, dann bist du unabhängiger.“
Kommt zum Cleanup in Berlin!
Der Van soll im Februar in Samos ankommen und hat die Maschinen im Gepäck, mit denen das Plastik verarbeitet werden kann. Vorher macht er in vielen Städten Halt und sammelt Werkzeuge ein. „Warum sollen wir Werkzeug kaufen, wenn so viele Werkstätten zwei Schraubenzieher zu viel haben?“ sagt Laura und hat vollkommen Recht. Beim Stopp in Berlin am kommenden Wochenende (1.+2. Februar) wird nicht nur Werkzeug gesammelt, sondern ein Cleanup mit unseren Netzwerkpartnern Cleanup Travekiez und Wir Berlin veranstaltet. Kommt alle zahlreich, wir freuen uns über jede helfende Hand!
Plastikmuell, Recycling, Griechenland