Wie geht Nachhaltigkeit? – Gedanken beim Müllsammeln
Wer schon mal an einem Cleanup teilgenommen hat, kennt den Moment, bei dem man realisiert, dass man Teil dieser Vermüllung ist. Wie konnte diese Deo-Spraydose in das Gebüsch gelangen? So eine, wie man sie selbst zu Hause hat. Vielleicht hat der ehemalige Besitzer der Dose gar keine Macht darüber, was mit seinem ordnungsgemäß entsorgten Müll passiert. Ziemlich schnell drängt sich einem die Frage auf, wie man das verhindern kann. Man kommt unweigerlich an den Punkt, an dem man sein eigenes Konsumverhalten hinterfragt. Denn: wo keine Dose, da kein Müll. Man realisiert, dass man Teil dieses Systems ist. Doch wie kann man sich dem entziehen? Geht das überhaupt?
Bewusster Konsum – ein schöner Weg zur Genügsamkeit
Die bei einem Cleanup in Gang gesetzten Gedankenprozesse führen im Idealfall zu einem veränderten Umweltbewusstsein, und -noch besser – zu einem veränderten Konsumverhalten. Wer sich nur kurz vor einer Konsumentscheidung die folgenden Fragen stellt, trägt schon einen großen Teil zum großen Ganzen bei:
- Brauche ich das wirklich?
- Gibt es das als Second Hand-Produkt?
- Ist es regional?
- Gibt es das auch ohne Verpackung?
- Wie lange ist die Lebensdauer?
- Wie oft werde ich das verwenden?
- Wo wurde es produziert?
- Kann ich, statt etwas Neues zu kaufen, besser das Alte reparieren?
Kann man sich dem System komplett entziehen?
Nein, kann man nicht. Kritiker von Cleanups haben alle die Frage parat: Und? Hast du nicht ein Smartphone? Ja, habe ich. Und ich weiß, dass darin bedenkliche Stoffe verbaut sind, Bodenschätze, die endlich sind, abgebaut von Menschen, die aufs Übelste ausgebeutet werden… Ich muss zugeben, dass mir das noch nicht lange in dieser Schärfe bewusst ist. Aber das Schöne ist ja, dass man sich weiterentwickeln kann. Ich auch. Deshalb sollten wir darauf achten, dass das Gerät möglichst lange verwendet wird. Je länger die Nutzungsdauer, desto besser die Bilanz.
Dennoch: Hautnah zu erleben, wie vermüllt die Natur ist, kann Menschen verändern. Es wird ein Rad in Gang gesetzt, das man nicht mehr aufhalten kann. Und so kauft man eben keine Deo-Dose mehr, die irgendwo im Gebüsch oder in Malaysia landen kann, sondern macht sein Deo einfach selbst – ohne Müll. Das funktioniert sehr gut, ist viel günstiger, umweltfreundlicher und spart einen Gang in die Drogerie. Und so dreht sich das Rad weiter.
Reicht es, das eigene Konsumverhalten zu ändern?
Das individuelle Konsumverhalten Stück für Stück zu ändern, ist ein wichtiger und entscheidender Schritt. Aber – wie immer – gibt es nicht nur eine Lösung. Es braucht eine Reihe von Lösungen, die ineinandergreifen müssen. Beispiel: Du trennst deinen Müll sorgfältig, hast nur wenig Verpackungsmaterial zu entsorgen, stellst also nur selten den Gelben Sack vors Haus. Trotzdem kennst du das Problem mit dem Gelben Sack: Er ist nicht nur sehr unpraktisch in der Handhabung, er reißt auch sehr schnell. Es ist paradox, doch man sieht es der Straße an, ob die Müllabfuhr da war, um den Gelben Sack abzuholen. Überall liegt Plastik rum. Nun könnte man die Lösung in der Gelben Tonne sehen. Allerdings stoßen wir da auf ein Platzproblem. Wo Platz für Autos benötigt wird, können keine gelben Tonnen stehen. Du siehst, es wird kompliziert.
Der Konsument entscheidet
Wenn die Badewanne überläuft, holt man nicht Handtücher, um das Wasser aufzuwischen, sondern man dreht den Hahn ab. Die einen werden sagen, dass die Lebensmittelindustrie reguliert werden müsse, die anderen, dass der Konsument die Produkte einfach nicht kaufen solle, die in Plastik verpackt sind. Fakt ist: der Konsument – also jeder Einzelne – entscheidet, wie viel Müll er produziert. Dass es sich mit deutlich weniger Müll gut leben lässt, haben wir in unserem Haushalt seit einiger Zeit festgestellt. Dank Unverpacktläden, Märkten und durch das Selbstkochen funktioniert das hervorragend. Stellt euch nur mal vor, kein Konsument würde mehr in Plastik fertig abgepackten Käse mehr kaufen! Der wäre dann schnell vom Markt.
Nun geht es nicht darum, dogmatisch von sich und anderen nachhaltiges Konsumverhalten einzufordern, sondern schlichtweg um bewussteren Konsum. Es sind diese paar Sekunden vor der Kaufentscheidung…
Darf man dann noch fliegen?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Macht man sich vorher erst einmal Gedanken, ist schon viel gewonnen. Natürlich würde ich immer empfehlen, möglichst auf das Fliegen zu verzichten. Manchmal lässt sich das aber auch nicht vermeiden, und das ist o.k.. Man ist ein Teil des Ganzen und steuert – im Rahmen der eigenen Möglichkeiten – seinen Teil zur Nachhaltigkeit bei. Wichtig zu wissen ist, dass das Konsum- und Umweltverhalten immer auch ein Signal an Politik und Wirtschaft ist.
Tipps für ein nachhaltigeres Leben
Hierbei geht es nicht nur um Müll, denn die Themen hängen alle miteinander zusammen:
- Kaufe Produkte möglichst unverpackt (Gemüse, Obst, Nüsse, Nudeln etc.).
- Koche mit frischen saisonalen und regionalen Zutaten.
- Iss so selten wie möglich Fleisch.
- Fahre weniger Auto und mehr Fahrrad oder ÖPNV.
- Kaufe hochwertige und nachhaltige Kleidung und dafür nicht so viele Teile.
- Nutze die öffentlichen Verkehrsmittel.
- Nutze Mehrwegprodukte statt Einwegprodukte.
- Stelle Alltagsprodukte selbst her. (Deo, Waschmittel, Putzmittel, Pflegeartigel)
- Als Raucher: nutze einen Taschenascher.
- Versuche, Produkte so lang wie möglich zu benutzen. (Vor allem alles, was aus Plastik besteht, damit es nicht zu Müll wird – Stichwort Upcycling, Downcycling, Recycling)
- Fliegen sollte man nur, wenn es nicht anders geht.
Wenn du diese Tipps beherzigst, hast du einen klaren, aber sanften Einstieg zur Änderung deines Konsumverhaltens, ohne große Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. Und vergiss nicht: Regelbrüche sind nicht zu verhindern. Aber alleine, dass du dir Gedanken machst, ist ein wichtiger Beitrag von dir.
Die Masse der Konsumenten kann das Müllproblem steuern – aber nicht alleine lösen
Bei Diskussionen um Nachhaltigkeit verhaken sich die Diskussionsteilnehmer häufig ineinander in dem Glauben, dass nur dieser eine oder jener Lösungsvorschlag etwas tauge. Die Probleme mit dem Müll sind jedoch – wie oben schon erwähnt – so verschachtelt und komplex, dass es nicht nur eine Lösung geben kann. Es braucht sehr viele verschiedene individuelle und strukturelle Lösungen, um des Müllproblems Herr zu werden.
Diese Bereiche greifen beim Thema “Vermüllung” ineinander:
- gesetzliche Rahmenbedingungen
- Mülltrennung
- Recycling
- Kreislaufwirtschaft
- Verpackungsdesign/Produktdesign
- Infrastruktur
- Aufklärung
- Umweltverhalten
- individuelles Konsumverhalten
- sozialer Druck
- Durchsetzung von Bußgeldern
- Politik
Plastik im Bio-Abfall kann beispielsweise ausschließlich über das Umweltverhalten der Menschen gesteuert werden. Verpackungs- und Produktdesign ist Aufgabe der Hersteller. Gelber Sack oder Gelbe Tonne? Da müssten wir (siehe oben) erst einmal über das Platzproblem durch Autos auf den Gehwegen sprechen, bevor wir flächendeckend die gelbe Tonne einführen könnten. Wie viel Müll tatsächlich entsteht, entscheidet der Verbraucher. Also du und ich.
Man merkt, die Probleme sind einerseits individuell und andererseits komplex. Um zu einer tatsächlichen Lösung zu kommen, muss jedes Rad bewegt werden.
Mit Cleanups drehen wir an vielen Rädern
- Sie setzen den Fokus der öffentlichen Debatte auf das Problem der Vermüllung und initiieren einen Dialog.
- Menschen, die an einem Cleanup teilgenommen haben, setzen sich kritisch mit ihrem eigenen Konsumverhalten auseinander.
- Gefährliche Gegenstände, wie Scherben oder Spritzen, werden von Spielplätzen entfernt.
- Tiere werden vor der Verendung durch Plastikmüll geschützt.
- Sie fördern den Austausch zwischen verschiedenen Teilen der Gesellschaft und den Zusammenhalt.
- Saubere Plätze hemmen die Schwelle zum achtlosen Entsorgen von Müll.
- Das Sicherheitsgefühl an sauberen Orten wächst.
- Sie stärken das Verantwortungsbewusstsein der Teilnehmer.
- Wir gehen mit gutem Beispiel voran und erfüllen eine Vorbildfunktion.
- Wir machen Verwaltungen und Entsorgungsunternehmen auf Probleme aufmerksam.
- Wir zeigen beispielhaft auf, welche Produkte einer Überarbeitung durch Produktdesign bedürfen.
- Die Gesellschaft wird auf die Veränderungen in der Zukunft vorbereitet, die nach einer Änderung unseres Konsumverhaltens verlangt.
- Wir spalten nicht, sondern zeigen auf, dass wir im Grunde im Interesse der gesamten Menschheit handeln, indem wir uns um die Erhaltung unserer Lebensgrundlage kümmern.
Sind wir also nachhaltig, weil wir Müll sammeln?
Nein. Aber Cleanups initiieren einen Prozess, der zu einem nachhaltigeren Konsum führen kann. Und im Kopf etwas zu verändern, ist ziemlich nachhaltig.
Wie seht ihr das?
Lasst mich unten in den Kommentaren wissen, welche Gedanken ihr dazu habt.