TobaCycle – 9 Fragen zum innovativen Zigaretten-Recycling-System an den Gründer
Es geht nicht um das Diffamieren von Rauchern, sondern um den Problemabfall “Zigarettenreste”. Zigarettenstummel sind der am häufigsten unachtsam weggeworfene Müll unserer Erde. Jedes dritte Stück Plastik in den Ozeanen ist ein Zigarettenfilter. Die vielen verschiedenen Giftstoffe in den Resten von Zigaretten machen diese zu Problemabfällen. Bisher existiert überhaupt kein Umgang mit dieser Art von Abfall – weder seitens der Gesellschaft noch seitens der Politik. Und was macht man, wenn keine Lösungen von oben kommen? Genau: selber machen! TobaCycle, ein Sammelsystem für Zigarettenabfälle, wurde von Mario Merella gegründet und ist nun Netzwerkpartner von Cleanup Network. Wie das Recycling genau funktioniert und warum es so wichtig ist, sich zu vernetzen, erklärt uns Mario in diesem Interview.
Wie und wann sind dir die Zigaretten in der Umwelt zum ersten Mal aufgefallen?
In der Fülle, erst im November 2016, nach einem Bericht der WHO aus Indien. Dort wurde u. a. die Tabakpflanze als unnachhaltigste Pflanze „gekürt“.
Wie kamst du darauf, die Zigarettenreste zu verwerten, statt wie üblich zu verbrennen?
Mario Merella: Ich wollte echtes Recycling. Am Anfang gab es noch die Idee, den Resttabak wieder “rauchbar” aufzubereiten. Da aber jede dritte bis vierte Zigarette in Deutschland eine unversteuerte und somit geschmuggelte sein soll, war das ein Ausschlusskriterium, auch aufgrund der vielen unbekannten oder bekannten Stoffe, wie beispielsweise geschredderte CD ́s. Außerdem wollten wir auch das Rauchen nicht propagieren, sondern stehen im Besonderen für Abfallvermeidung.
Auch das Trennen der einzelnen Fraktionen in seine Bestandteile ist ein aufwendiges und teures Verfahren. Den organischen Wertstoff Cellulose sauber zurückzugewinnen (der vorher durch den chemischen Prozess der Veresterung zu dem Filter aus Celluloseacetat wurde), ist ein aufwendiger Prozess.
Von vorneherein war TobaCycle mit einer Vorgabe beseelt: Kein Greenwashing oder „grüne Lügen“ zu betreiben. Somit konnte die Ausgangsfrage, wie ich es oder was schafft es, Zigarettenkippen aus der Umwelt uns aus dem Restmüll (Verbrennung) zu verbannen, nur den für mich einzig gangbaren Weg, der rückstandslosen stofflichen Verwertung sein. Also die Giftstoffe, die Asche und den Resttabak mit dem Celluloseacetat und dem Papier als Füllstoff in recycelbare Produkte einfließen zu lassen und gleichzeitig die Giftstoffe zu verkapseln.
[socialpug_tweet tweet=”Hier zeigen uns die Raucher, wie sehr sie endlich eine gangbare Alternative haben um richtig mit ihrer Art von Abfall umzugehen. #tobacycle @tobacycle” display_tweet=”Hier zeigen uns die Raucher, wie sehr sie endlich eine gangbare Alternative haben um richtig mit ihrer Art von Abfall umzugehen.” style=”5″]
Wer sind deine typischen “Lieferanten”?
Mario Merella: Um Menge zu generieren, sind das die Raucherplätze von Mitarbeitern in großen Unternehmen. Dort funktioniert unser System fast reibungslos und wir erhalten trockene und gut separierten Rauchabfall. Dazu kommen alle Bereiche der Außen Gastronomie. Dort ist allerdings eine schwierige Umsetzung zu erkennen, aufgrund des Fehlnutzens von Aschenbechersystemen auf den Tischen. Es ist kaum möglich für das Personal oder uns, die Inhalte zu trennen. Riesigen Erfolg haben wir auf Festivals, durch PETYC unser Kippenröhrchen. Hier zeigen uns die Raucher, wie sehr sie endlich eine gangbare Alternative haben um richtig mit ihrer Art von Abfall umzugehen.
Ich bin Raucher und will bei TobaCycle teilnehmen. Wie funktioniert das genau?
Mario Merella: Mittlerweile gibt es für den Raucher unser System mit TOBYC dem luftdichten Sammeleimer und 3 x PETYC dem Kippenröhrchen. Beide sind geruchsneutral und erfüllen das wichtigste aller Kriterien. Keine Geruchsentwicklung beim Sammeln oder transportieren. Als Mitglied erhält jeder diese Grundausstattung, für 20,00 € Jahresbeitrag.
Die großen Sammelbehälter bestehen aus Zigarettenkippen? Wie kann man sich das
vorstellen?
Mario Merella: So einfach wie das Sammeln sollte auch das Recyceln funktionieren. Wir haben endlich geschafft, die zerkleinerten Kippen mit gesammelten Kunststoffen über den gelben Sack und Clean-Ups, zu extrudieren. Das entstandene Recyclat wird im Spritzgießverfahren zu Behältern unseres Systems.
Hast du eigene Geräte für den Recycling-Vorgang oder wie läuft das ab?
Mario Merella: Du wirst lachen. Auf dem Weg zur rückstandslosen stofflichen Verwertung habe ich in „Küchenversuchen“, alle verfügbaren Gerätschaften zum Zerkleinern und entkeimen der Kippen benutzt und unbrauchbar für andere dafür gedachte Vorgänge benutzt. Auch handelsübliches Aceton und Waschbenzin war anfangs mit von der Partie. Ob Mikrowelle, Kaffeemühle oder ein Ultraschallbad für Brillen, haben mir schon früh aufgezeigt wie es gehen kann, die Stummel mitsamt Asche, zu einer homogenen Masse werden zu lassen. Mittlerweile habe ich durch Fördermitglieder, bestehend aus Profiunternehmen in den Bereichen Kunststoff und Metall, Partner für Forschung und Entwicklung gewonnen. Dort werden nun für das Sammelsystem von TobaCycle Sammelbehälter für den Außenbereich, mobile Taschenascher und eben für das stationäre Sammeln produziert.
Was muss aus deiner Sicht geschehen, damit Zigarettenabfälle nicht mehr als normaler Müll betrachtet werden?
Mario Merella: Die Aufnahme von Zigarettenkippen in die Kreislaufwirtschaft, durch eine freiwillige Rücknahme der Stummel, durch die Zigarettenindustrie (Herstellerverantwortung). Unsere Aufgabe ist es, über das bereits gut funktionierende Sammelsystem Menge und Reichweite zu generieren, damit TobaCycle mit einer Lizenz flächendeckend sammeln und verwerten darf.
Was sind deine Pläne für dieses Jahr?
Mario Merella: Den durchschlagenden Erfolg durch unsere Sensibilisierungskampagnen und die daraus folgende Annahme unseres Systems durch Industrie, Politik und den Rauchern. Die bereits knapp 2,7 Tonnen gesammelten Kippen, die nicht in der Umwelt oder im Restmüll gelandet sind, sollen Hoffnung geben, Das was wir mit der kleinen Kippe schaffen, auch mit anderen Problemabfällen im speziellen eben mit den Plastik-Müllbergen hinbekommen können. Wir wollen diese Projekte unterstützen und mehr Spezialisten für jeweils eine Art von Abfall hervorrufen. Denn so beheben wir das gesamte Müllproblem.
Ich und im Speziellen der Verein TobaCycle n.e.V ist stolz, Bestandteil dieses Netzwerks zu sein.
Was erhoffst du dir davon, ein Teil des Netzwerks zu sein?
Mario Merella: Clean-Ups sind das Herz der bewusster gewordenen Gesellschaft. Hier wird aufgezeigt, was möglich ist. Über diese tollen Menschen, die ihre Freizeit dafür aufbringen, die unachtsam weggeworfenen „Abfälle“ anderer aufzuheben und mittlerweile auch getrennt den Verwertern zukommen lassen, damit diese nicht ausnahmslos über die jeweiligen Entsorger verbrannt werden, ist ein ganzheitlicher und durchdachter Ansatz. Also die Lösung auch für die, die wir über mediale Präsenz erreichen wollen. Die Verursacher (Müllsünder) und Verursachenden (Hersteller).
Der nicht erhobene Zeigefinger durch diese Aktionen, sondern es vorzumachen, wird den nötigen Ruck in unsere Wegwerf-Gesellschaft geben. Ich und im Speziellen der Verein TobaCycle n.e.V ist stolz, Bestandteil dieses Netzwerks zu sein. Den Spirit zu haben nicht aufzugeben, auch wenn man immer wieder aufs neue, den Park, das Ufer oder andere sensiblen Untergründe reinigt und nicht verzagt. Die immer größer werdende Gemeinde der freiwilligen Helfer beeindruckt mich und stärkt mich weiterzugehen. Ich und TobaCycle haben den Kippen in der Umwelt den Kampf angesagt. Wir sind mit Herz und Seele Abfallvermeider und nehmen von jedem Clean-Up die Kippen, damit diese nicht in die Verbrennung gehen, sondern in die rückstandslose Verwertung. Ohne Emissionen.
Vielen Dank Mario für das Interview und vor allem für deinen Einsatz. Schauen wir, welche weiteren Weichen wir im Verbund stellen können, um dein Projekt voranzutreiben.
BONUS: Was ist eigentlich das Problem mit Zigaretten in der Umwelt?
Es gibt unzählige Gründe, warum Kippen nicht auf den Boden geschnipst werden sollten. Hier gibt es eine aufschlussreiche Infografik zu Zigaretten in der Umwelt, die jeder teilen darf.
Manfred Gresens
In Berlin ist es so, dass die BSR – Berliner Stadtreinigung die letzten vernünftigen Raucher, die Ihre Kippen ordentlich entsorgen wollen zwingt, die Kippen auf den Boden zu werfen. Ich habe mich an die BSR gewandt, ohne Erfolg, dann an das Management und den kompletten Aufsichtsrat, deren Vorsitzende Frau Ramona Pop ist und an den regierenden Bürgermeister Müller. Dann habe ich ein Protest Video gemacht und in’s Netz gestellt: https://www.youtube.com/watch?v=VALwqbI7P3I&t=65s nichts hat geholfen, noch heute sind Zigarettenschächte in den Straßenabfallbehältern in Berlin verstopft.
Thomas
Das klingt ein wenig wie unsere Auseinandersetzung mit der SSB (Stuttgarter Straßenbahnen): https://cleanupnetwork.com/news/netzwerk/aschenbecher-an-haltestellen-ssb-stuttgart/
Tim Weber
Hey,
Ich wollte mal fragen, ob es möglich ist, über euch auch im Südwesten von Deutschland (Rheinland-Pfalz) das Sammeln und upcyceln der Zigaretten Stummel zu machen. Dabei geht es insbesondere um die Universität Landau in der Pfalz und auch dort herrschende Veranstaltungen.
TobaCycle n.e.V.
Hallo nach Rheinland-Pfalz.
Tim, bitte schreibe uns doch direkt über info@tobacycle.de an.
Gerne nehmen wir die Uni als Sammelstelle auf. M. Merella
Kerstin Kindt
Hallo,
auch mir geht es immer wieder um das Thema KIPPENFLUT. Wir wohnen im Bodenseekreis in der schönen Gemeinde Immenstaad. Zumeist sammeln wir direkt in unserer Gemeinde, jedoch auch Kreisweit um den Bodensee herum.
Unsere vielfältigen Versuche mit der Gemeinde, mit dem Gemeinderat, mit ECHT-BODENSEE ins konstruktive Gespräch zwischen Hauptamt und Ehrenamt zu kommen, sind mehr als herablassend und demotivierend. Einerseits wird der vorhandene tägliche Müll negiert, andererseits wird die BLAUE FLAGGE vorgeschoben und die Befragung der Tourist*INNEN und es heißt es ist sauber, respektive gegen die Kippenflut lässt sich nichts unternehmen.
KIPPENGEISTER, die wir selbst an der Badestelle angebracht haben, mussten wir unter Androhung direkt wieder entfernen.
Wir selbst müssen also alle gesammelten Kippen, weil wir keine Organisation, kein Betrieb sind, und selbst Nichtrauchende sind, stets in unserem privaten Restmüll entsorgen??
Gibt es da keine Alternative für uns, denn mein Mann hatte schon einmal direkt mit TobaCycle Kontakt aufgenommen gehabt?
Danke! Kerstin
Undeutsch, Regine
Hallo,
unsere cleanup Gruppe Ebersbach/Fils besteht seit März 2021 und inzwischen sind wir auch im cleanup-network Baden-Württemberg.
Heute habe ich von tobacycle 4 Eimer und kleine Dosen erhalten, super vielen Dank.
Welche Art von Plastiksack sollen wir in die Eimer einlegen?
Und wohin dürfen wir unser Sammelgut senden?
Viele Grüße aus dem Schwabenland
Regine
Thomas Venugopal
Liebe Regine,
TobaCycle erhält keine Benachrichtigungen zu Kommentaren unserer Blog-Beiträge. Am besten du wendest dich direkt an TobaCycle und fragst dort direkt.
Viele Grüße
Thomas