Wir lieben Elbe – weitere Initiative aus Dresden an Board
Erst vor kurzem durften wir die Initiative Pinke Hände aus Dresden in unserem Netzwerk begrüßen. Nun folgt schon die zweite Initiative aus der Stadt der Wissenschaft: Wir lieben Elbe. Das Interview habe ich mit Heike, Gregor und Ronny geführt. Willkommen im Netzwerk! :)
Wie kam es zu dem Projekt “Wir lieben Elbe”?
Heike: Es begann vor etwa zehn Jahren, als sich mein Hund Stromi zum dritten Mal den Fuß an einer Scherbe aufgeschnitten hatte. Mein Entschluss: geht so nicht und so fing ich an, alle Scherben in meinem Revier (Pieschen an der Elbe) aufzusammeln. Es blieb nicht bei Scherben, jeder andere Müll wurde gleich mit entsorgt, weil an der Elbe auch Wildtiere leben, die nicht zum Tierarzt gehen können. Am Anfang hängte ich Säcke entlang der Flutschutzmauer auf, damit die Leute ihre Abfälle dort entsorgen konnten. Die Sächsische Zeitung wurde aufmerksam, es gab ein Interview. In dessen Folge wurde ich ins Ortsamt eingeladen und man stellte mir dort Strafanzeigen in Aussicht, da das Aufhängen der Säcke als Straftat (illegale Hausmüllabsonderung) angesehen wurde. Ich sollte damit aufhören, da angeblich ausreichend Abfalleimer vorhanden wären und die Leute ihre Abfälle doch mit nach Hause nehmen könnten – meine Fotos zeigten da allerdings ein ganz anderes Bild. Glücklicherweise wurde ich zu der Zeit durch Heidi Geiler vom Bürgerverein Pro Pieschen e.V. unterstützt.
Ich blieb bei meinem Hobby, das Ortsamt stellte nach einiger Zeit Papierkörbe entlang der Flutschutzmauer auf. Da diese aber immer noch nicht ausreichen und auch nicht tiersicher sind und die Elbwiesen einem immensen Besucherstrom (vor allem im Sommer) ausgesetzt sind, musste ich weitermachen. Als Stromi sich vor etwa fünf Jahren die Beugesehne beim Sprung in eine Bierflasche durchschnitt und an der Elbe fast verblutetet wäre, merkte ich, dass ich mit dem Müllsammeln als Einzelkämpferin nicht weiterkomme.
Mit Unterstützung von Pro Pieschen e.V. und dem Hufewiesen Trachau e.V. wurden vor allem nach Silvester große Sammelaktionen organisiert, in deren Folge dann Ronny und später Gregor regelmäßig kamen und dabeiblieben. „Wir lieben Elbe“ sammelt aber nicht nur Müll, sondern bringt sich auch in die Regionalpolitik ein und ist für funktionierende Netzwerke sehr zu haben.
Wer organisiert die Cleanups und wer beteiligt sich dabei?
Heike: In der Regel läuft das so: ich sehe die Vermüllung und schätze das Ausmaß ein, schreibe in unsere Gruppe: “Dort und dort müssen wir mal (wieder) Müll sammeln, wann passt es Euch?” Relativ schnell findet sich ein Termin, welcher meist aufs Wochenende fällt. Ich erstelle für unsere Facebook-Seite eine Veranstaltung und Gregor veröffentlicht diese auf nebenan.de und auf dem Grünen Brett, einem Online-Veranstaltungskalender des BUND. Die Info wird dann auch auf dem Telegram-Kanal Input_DD veröffentlicht.
Manchmal schreiben uns auch Menschen an und weisen auf Vermüllung hin. Liegt der jeweilige Ort in unserem Einzugsgebiet, organisieren wir dort eine Sammelaktion oder beraten, wie die Leute das Problem selbst angehen können. Bei den Putzaktionen ist immer mindestens eine Person unserer Kerngruppe dabei. Ansonsten kommt, wer Zeit und Lust hat, alle Altersschichten, aber vorwiegend junge Leute. Die Zusammensetzung ist immer unterschiedlich.
Gibt es schon eine nächste Putzaktion?
Gregor: Aktuell nicht, die letzte war am 10.5. Wer interessiert ist, schaut am besten auf unsere Kanäle oder schlägt selbst eine Aktion vor, falls ihm/ihr eine Stelle bekannt ist, die es nötig hat. Wir sind relativ flexibel und organisieren regelmäßig.
Was würdest du dir von der Stadt Dresden besonders hinsichtlich der Vermüllung wünschen?
Ronny: Die meisten Flächen, auf denen wir regelmäßig putzen, sind eigentlich von der EU sowie dem Land Sachsen als Landschaftsschutzgebiet (LSG) sowie Vogelschutzgebiet (SPA, Special Protected Area) ausgewiesen. Diese betrifft die Elbwiesen im gesamten Dresdner Stadtgebiet sowie die Flutrinne in Mickten. Die ersten Beschlüsse zu den LSG wurden bereits im Jahr 1996 gefasst. Bis heute hat die Landeshauptstadt Dresden keinerlei Konzept zur Umsetzung dieses Schutzes. Das sollte dringend angegangen werden.
[socialpug_tweet tweet=”Die ersten Beschlüsse zu den LSG wurden bereits im Jahr 1996 gefasst. Bis heute hat die Landeshauptstadt Dresden keinerlei Konzept zur Umsetzung dieses Schutzes. Das sollte dringend angegangen werden.” display_tweet=”Die ersten Beschlüsse zu den LSG wurden bereits im Jahr 1996 gefasst. Bis heute hat die Landeshauptstadt Dresden keinerlei Konzept zur Umsetzung dieses Schutzes. Das sollte dringend angegangen werden.”]
Weiterhin wünschen wir uns, dass die Stadt sich stärker in der Vermeidung von Müll engagieren würde. Sie sollte ein Konzept aufstellen und umsetzen, in dem Verursacher von Abfällen nach dem Verursacherprinzip an den Kosten der Entsorgung beteiligt werden. Das beträfe z.B. die Fast-Food-“Restaurants” mit ihren Müllmassen, die Bäckereien mit Einweg-Kaffeebechern, die Eisläden mit Wegwerfbechern. Auch die Reduzierung der enormen Mengen an Zigarettenkippen sollte mit im Fokus stehen.
Wünschst du dir Unterstützung von der Stadt Dresden?
Ronny: Wir werden von einigen Akteuren unterstützt: so halten wir engen Kontakt zum Ortsamt Pieschen, das uns Müllsäcke und Handschuhe zur Verfügung stellt und den gesammelten Müll immer zeitnah abholen lässt. Einige unserer Anregungen werden auch aufgegriffen, z.B. die engere Taktung der Leerungen der Mülleimer.
Weiterhin gibt es einzelne politische Akteure, die unsere Themen versuchen, in den Stadtrat zu bringen. Genannt seien hier Stefan Engel (Stadtrat SPD), Dr. Anja Osiander (Stadträtin Grüne), Michael Rammler (Die Linke). Ganz wichtig, die Bürgervereine Pro Pieschen e.V. und Hufewiesen Trachau e.V., welche der Initiative quasi das Laufen lernten und sie finanziell und moralisch unterstütz(t)en.
Ansonsten haben wir viele unserer Vorschläge mit verschiedenen konkreten Ideen zur Umsetzung in mehreren persönlichen Gesprächen der Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen unterbreitet – teils auch vor Ort in Pieschen. Sie erklärt uns zwar stets wortreich, dass sie von unseren Aktionen begeistert sei, allerdings bekommen wir von ihr und ihrem Amt keinerlei Unterstützung. Bei ihr herrscht nur Verwaltungsdenken ohne jegliche Kreativität. In den Gesprächen hat sie uns z.B. deutlich gemacht, dass sie keinerlei regulatorische Eingriffe, auch nicht bei groben Vergehen wie Feuer im Wald etc., wünscht. Hier wünschen wir uns einen engagierten, fantasievollen Ansprechpartner in den Ämtern, der das Thema Umweltschutz ernst nimmt.
Wie kann man alle Gesellschaftsschichten für dieses Thema begeistern?
Ronny: Kann man nicht. Vielen Leuten sind Umweltthemen leider egal, besonders wenn sie dafür ihre Komfortzone verlassen müssen. Den Rest versuchen wir, mit Nachwuchsarbeit und Erfolgserlebnissen zu begeistern.
Was ist das Kurioseste, was ihr bisher gefunden habt?
Ronny: E-Gitarre, Fahrradrahmen, Terrarium, unglaubliche Mengen an leeren Hartalkohol-Flaschen.
Heike: Kurios ist nicht das richtige Wort, aber schön: hunderte alte Scherben und Kinkerlitzchen. Nicht schön: Hunderttausende Ohrstäbchen, Silvesterfeuerwerkpatronen (das ganze Jahr hindurch). Meistens bekommen die Verlierer das wieder: Handy, Uhren, Rucksack, Ausweispapiere, Fahrzeugpapiere, Messer, Flaschenpost (wird fast immer ungelesen entsorgt, sorry da geht mir jede Romantik flöten).
Gregor: Kurioses finden bei uns leider meist die anderen, da hatte ich bislang weniger „Glück“. ;) Bemerkenswert waren aber zwei Supermarkt-Einkaufswagen, die am Ufer der Elbe standen (einer auch im Wasser) sowie ein großes Sofa am Rosengarten. Ab und zu findet man sogar etwas Kleingeld.
Hast du Ideen, wie man das Müllproblem an der Wurzel packen kann?
Ronny: Das Thema der Vermeidung von Abfällen müsste eine größere Gewichtung in der Stadtpolitik und -verwaltung bekommen und in die Öffentlichkeit getragen werden. Im Absatz “Wünsche an die LH Dresden” wurde das ja schon angesprochen: wir brauchen ein städtisches Müllkonzept, das auch die Verursacher in die Pflicht nimmt, die Bevölkerung aller Altersgruppen für das Thema sensibilisiert, den Schutzgebieten ausreichend Beachtung schenkt und besonders auch die Sanktionierung von Verstößen vorsieht. Zur Umsetzung sollten entsprechend auch eine oder mehrere Personalstellen geschaffen werden. In die Erarbeitung und Umsetzung eines solchen Konzeptes sollten auch Vereine und Initiativen, die sich mit dem Thema befassen, eng eingebunden werden.
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