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Sane Mare – die Müll-Connection zwischen Portugal und Deutschland

Wer sich wie wir so viel mit dem Thema Müll beschäftigt, der weiß natürlich auch, dass es in Portugal viele Menschen gibt, die das Thema umtreibt. Auch wir haben bei unserem letzten Portugal-Urlaub einiges an Müll am Strand eingesammelt. Lucas und Luciano waren dort Tauchlehrer und sahen den verschwenderischen Umgang mit unseren Ressourcen hautnah. Sane Mare tritt unserem Netzwerk bei und ist somit die erste Initiative in unserem Netzwerk, die auch außerhalb von Deutschland agiert. Das Interview habe ich mit Lucas geführt. Viel Spaß beim Lesen.

Wie kam es zu dem Projekt “Sane Mare“?

Lucas: Sana Mare ist ein Projekt, dass ich zusammen mit meinem Kumpel Luciano aus Portugal initiiert habe. Wir sind beide Ozeanographen und haben früher gemeinsam als Tauchlehrer in Portugal gearbeitet. Als Ozeanographen beschäftigen wir uns mit dem Meer und seiner Wechselwirkung mit anderen Komponenten des Erdsystems. Wenn man sich intensiv mit dem Ozean auseinandersetzt, dann wird einem sehr klar, wie wichtig es ist ihn in all seinen Facetten zu schützen. Dazu gehören Maßnahmen zur Eindämmung der Erwärmung, Versauerung oder Überfischung genauso wie Maßnahmen zur Reduzierung der Vermüllung. Während man aber die Erwärmung und die Versauerung in Portugal beim tauchen nicht einfach beobachten kann, fällt einem die Vermüllung überall ins Auge. Wir haben darum vor einigen Jahren angefangen auf jedem Tauchgang Müll zu sammeln. Es war extrem motivierend zu sehen, wie man Tauchschüler für die Problematik sensibilisieren kann, indem man einfach mal eine Plastikflasche oder einen Schuh einsammelt. Viele Taucher sprechen einen danach an oder machen es unaufgefordert nach. Im Prinzip ging das Projekt so los. Wir haben damals aber noch nicht darüber nachgedacht einen Verein zu gründen. Heute lebe ich in Hamburg und weder ich noch
Luciano arbeiten noch als Tauchlehrer. Darum fanden auch unsere fast täglichen kleinen Müllsammel-Aktionen in den letzten Jahren nicht mehr statt. Da uns beiden diese aktive Art des Umweltschutzes fehlt, haben wir darum im Juli 2019 angefangen wieder Müllsammel-Aktionen zu organisieren. Insgesamt haben wir zwischen Juli und November sechs Cleanups in Deutschland und in Portugal durchgeführt. Unser Ziel ist es im
kommenden Jahr noch viel mehr Aktionen zu organisieren und diese auch auf andere europäische Länder auszuweiten. Darum gründen wir gerade den Verein Sana Mare, der seinen Sitz in Hamburg haben wird.

Wer organisiert die Cleanups und wer beteiligt sich dabei?

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Lucas: Im Moment sind es in erster Linie zwei Vereinsmitglieder, die die Cleanups organisieren. Wir haben aber als Verein das Ziel ab 2021 365 Cleanups im Jahr durchzuführen. Ob dieses Ziel erreichbar ist wird sich zeigen. Aber das ist die Vision, an deren Erreichung wir arbeiten. Wir sind bis jetzt alle nur ehrenamtlich im Verein aktiv und gehen an fünf Tagen in der Woche einer anderen Arbeit nach. Darum ist das Ziel natürlich nur dann zu erreichen, wenn sich in den kommenden Monaten und Jahren viele ehrenamtliche Vereinsmitglieder finden, die mit uns zusammen die Initiative vorantreiben. Wer unserem Verein als ehrenamtliches Mitglied beitreten möchte, muss keinen Mitgliedsbeitrag und keine Aufnahmegebühr zahlen. Für ein ehrenamtliches Mitglied gibt es also überhaupt keine Kosten. Wir würden uns jedoch freuen, wenn jedes Mitglied einmal im Jahr ein cleanup organisiert oder sich an einem cleanup beteiligt. Wir hoffen, dass wir Mitglieder aus allen Ecken Deutschlands und Europas finden, damit die Cleanups möglichst weit verteilt stattfinden. Wenn wir in den kommenden Monaten wachsen und sich engagierte Menschen unserem Verein anschließen, dann möchten wir uns als Initiatoren des Vereins mehr auf die Mittelbeschaffung konzentrieren und die Cleanups koordinieren. Denn selbstverständlich möchten wir, dass der Verein alle anfallenden Kosten für die Cleanups trägt. Wir möchten in der Lage sein jedem Mitglied zu ermöglichen ein cleanup in beliebiger Größe zu organisieren. Das kann ein kleiner Müllsammel-Spaziergang sein, der außer ein paar Euro für Mülltüten nichts kostet, es kann aber hin und wieder auch ein großes Event sein, dass mehrere hundert Euro kostet.

Gibt es schon eine nächste Putzaktion?

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Ja, wir planen unser nächstes cleanup am 01.01.2020 in Hamburg. Durch das jährliche Silvesterfeuerwerk landen etwa 9 Tonnen Müll auf Hamburgs Straßen. Zwar ist die Stadtreinigung in den ersten Tagen des Jahres bemüht den Müll einzusammeln, aber die Erfahrung zeigt, dass die Reste des Feuerwerks noch Wochen nach Silvester überall herumliegen und zusammen mit dem Regen zu einem Müll-Matsch werden. Problematisch
sind Feuerwerkskörper wegen des Plastikanteils, der z.B. in den Batterien enthalten ist, die mehrere hundert Schüsse in kurzer Zeit abgeben, aber vor allem auch wegen der Chemikalien, die durch den Regen in die Erde gespült werden und einen großen Schaden in der Natur anrichten können. Um diese ökologische Katastrophe zumindest ein kleines bisschen abzumildern möchten wir möglichst viel des Mülls am Tag nach der Party
entfernen. Wir treffen uns darum am 01.01.2020 um 14:00 am Altonaer Balkon und sammeln dann für ein oder zwei Stunden den Müll von den Straßen Altonas.

Was würdest du dir von der Stadt Hamburg besonders hinsichtlich der
Vermüllung wünschen?

Lucas: Die Stadtreinigung macht schon einen guten Job. Ich bin nicht der Meinung, dass es die Aufgabe der Stadt ist mit dem Besen hinter den ganzen Ferkeln herzulaufen, die ihr Bonbonpapier und ihre Zigarettenkippen auf den Boden schmeißen. Ich finde, dass nicht die Stadt noch mehr in die Reinigung investieren muss, sondern dass die Menschen ihr Verhalten ändern müssen. Unsere Initiative ist ja auch ganz und gar nicht auf Hamburg beschränkt. Wir wollen, wie gesagt, europaweit aktiv sein. Darum wäre die Stadt Hamburg für uns auch nicht der richtige Ansprechpartner um konkrete Wünsche zu äußern. Auf Bundes- oder EU-Ebene fände ich mal eine groß angelegte Aufklärungskampagne schön. Diese sollte den Menschen genau erklären, warum es wichtig ist Müll korrekt zu entsorgen und wie man ihn richtig entsorgt. Denn wenn wir mal ehrlich sind, ist die Mülltrennung hier in Deutschland gar nicht so einfach. Ich habe mich erst vor wenigen Tagen mit einem Müllexperten aus Hamburg unterhalten. Der hat mir erzählt, dass ein Joghurtbecher, an dem noch der Deckel hängt nicht recycelt werden kann, weil die maschinelle Sortierung den Verbund aus zwei verschiedenen Materialien aussortiert. Hier ist viel mehr Aufklärung der Bevölkerung nötig. Ich halte ganz generell Bildung und Aufklärung für den Schlüssel, um langfristig unser Müllproblem – wozu eben auch der unsachgemäß entsorgte Müll auf der Straße zählt – in den Griff zu kriegen. Darum soll eine zweite Säule unserer Vereinsaktivität auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit Schulen und Kitas sein.

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Wünschst du dir Unterstützung von der Stadt Hamburg?

Lucas: Über Unterstützung jeglicher Art würde ich mich natürlich freuen. Ich empfinde die Unterstützung die man als gemeinnützige Körperschaft von behördlicher Seite bekommen kann aber schon als sehr positiv. Heute hat der Hamburger Senat erst angekündigt ehrenamtliches Engagement in Zukunft stärker unterstützen zu wollen. Was das für uns genau heißen wird und ob wir davon profitieren können, muss man zwar noch abwarten, aber ich bin insgesamt schon sehr glücklich über die Unterstützung, die ein Verein wie wir bekommen können. Der Erfolg unserer Initiative hängt letztendlich nicht von der Unterstützung durch die Stadt ab, sondern vom Engagement unserer Vereinsmitglieder.

Wie kann man alle Gesellschaftsschichten für dieses Thema begeistern?

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Lucas: Der Schlüssel sind die Kinder. Ich habe schon öfters beobachtet, dass besonders Kinder spontan bei einer Cleanups mitmachen möchten. Auch bei unseren Bildungsangeboten in Schulen und Kitas, die wir schon mit Kindergruppen getestet haben, sehe ich wie sehr auch Kinder aus Bildungsfernen Schichten an diesem Thema interessiert sind. Ich glaube wenn man den Kindern die Problematik erklärt und ihnen verständlich macht, wie wichtig eine korrekte Müllentsorgung ist, dann besteht die Chance, dass sie es ihren Eltern erzählen und es später in ihren eigenen Familien richtig machen.

Was ist das kurioseste, was ihr bisher gefunden habt?

Lucas: Wir haben schon viele Gegenstände gefunden, bei denen man sich fragt, wie sie an den Strand oder in den Wald gekommen sind. Einmal haben wir einen Stromverteilerkasten gefunden. Man stumpft aber mit der Zeit ganz schön ab und wundert sich über fast gar nichts mehr. Aber wir haben mal einen sehr interessanten Fund gemacht. Und zwar war das ein Drifter, der von der Uni Oldenburg in die Elbe eingebracht wurde. Dabei handelt es sich um ein ozeanografisches Experiment. Die Drifter sind aus Holz und treiben mit der Strömung genau so wie Plastik. Den Fundort des Drifters kann man in einem Onlineportal melden. Dadurch werden wertvolle Erkenntnisse darüber gewonnen, wie sich der Plastikmüll im Laufe der Jahre im Ozean verteilt. Unser Drifter mit der Nummer 14259 ist nicht besonders weit gekommen. Er lag nur wenige Kilometer flussabwärts von der Stelle, an der er zwei Jahre zuvor losgeschickt wurde.

Hast du Ideen, wie man das Müllproblem an der Wurzel packen kann?

Lucas: An der Wurzel packen ist genau der richtige Ansatz. All die Cleanups der tollen Initiativen hier im Netzwerk und auch die großen Projekte, wie etwas the ocean cleanup, die den Müll mitten aus dem Pazifik einsammeln, sind unglaublich toll und wichtig. Aber sie sind natürlich nicht geeignet, um die Vermüllung des Ozeans oder der Natur im allgemeinen zu beenden. Sie dienen der Sensibilisierung der Bevölkerung und leichten Reduzierung der Problematik. Man muss den Mülleintrag in die Natur stoppen um eine langfristige Veränderung zu erzielen. Wie bereits erwähnt bin ich überzeugt, dass Bildung und Aufklärung hierfür ganz wichtig ist. Letztendlich muss sich das Konsumverhalten der Gesellschaft dahingehend ändern, dass wir viel weniger Müll produzieren. Der zero waste lifestyle, an dem sich einige wenige bereits versuchen und den sehr wenige bereits annähernd leben, ist genau richtig. Ich bin aber kein Freund davon radikale Lösungen zu propagieren. Wenn jeder Mensch seinen Müll um 10% oder 20% reduzieren würde, dann hätten wir schon viel erreicht. Neben den Konsumenten muss sich aber vor allem auch in der Wirtschaft einiges ändern. Hier ist neben Müllvermeidung auch eine Erhöhung der Recyclingquote wichtig. Und spätestens an dieser Stelle kommt auch die Politik ins Spiel. Recycling muss einfach attraktiver werden. Müll muss als das angesehen werden, was es ist. Nämlich ein Rohstoff. Müll ist eine wertvolle Resource, aus der man etwas machen kann. Darum muss es sich für die Wirtschaft lohnen ihn sachgerecht zu entsorgen und möglichst sortenrein zu trennen.

Hast du noch eine Nachricht an unsere Cleanup Network Leser?

Lucas: Seitdem ich selber angefangen habe mich in der Cleanupszene zu vernetzen bin ich begeistert von der Motivation und dem Engagement der vielen Müllsammler in Deutschland und in anderen Ländern. Ich freue mich, dass wir mit unserem Verein ein Teil der Bewegung sind. Meine Nachricht an alle Leser ist: Vielen Dank für euer Engagement. Macht weiter so!


Vielen Dank Lucas, dass du dir die Zeit genommen hast und herzlich Willkommen im Cleanup Network! Ich freue mich darauf, dich den anderen vorzustellen. :)

Hamburg, Kinder, Portugal


Thomas Venugopal

Auf Cleanup Network setze ich meine berufliche Erfahrung im Online-Geschäft ehrenamtlich und gemeinnützig ein, um meine Mitmenschen für das Thema Vermüllung zu sensibilisieren und mobilisieren. Der Netzwerkgedanke ist der Kern dieser Plattform. Daher freue ich mich über jede Form der Kontaktaufnahme.

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